3. Februar 1950: Der Atomspion Klaus Fuchs wird verhaftet

Was wird aus Harwell?

Atomspion Klaus Fuchs

Das Foto im Dienstausweis von Klaus Emil Julius Fuchs während seiner Zeit in Los Alamos (New Mexico), als er am Manhattan-Projekt mitarbeitete

Harwell in der Nähe von Oxford, 3. Februar 1950. Bei einem der kleinen Fertighäuser am ehemaligen Flughafengelände klingelt es, vor der Tür stehen Commander Leon Burt, der Chef der sogenannten Sonderabteilung von Scotland Yard und ehemaliger Leiter der britischen Gegenspionage, sowie der Physiker Michael Perrin. Der Hausherr öffnet, ein großer hagerer Mann mit schütterem rotblonden Haar: Klaus Fuchs. Ihm ist die Situation sofort klar: »Weißt du, was das für Harwell bedeutet?« fragt er seinen Kollegen Perrin. Dann lässt er sich widerstandslos festnehmen.

Harwell, so hieß das neue Atomforschungszentrum, in dem die Engländer am Bau der Atombombe arbeiteten. Und dessen stellvertretender Leiter war eben jener Klaus Fuchs, ein brillanter Atomphysiker. Klaus Fuchs stammt aus Deutschland, aber er war 1933 während seines Physikstudiums nach England gegangen und hatte dort bei zwei späteren Nobelpreisträgern gleich zweimal promoviert. Nach Kriegsbeginn war er zwar zunächst als »feindlicher Ausländer« interniert worden, doch 1942 hatte er die britische Staatsbürgerschaft erhalten, damit er an dem englischen Atombombenprojekt mitforschen konnte.

Die Atombombe, das war damals noch nur eine vage Vorstellung. Die Entdeckung der Kernspaltung 1938 hatte nämlich die theoretische Möglichkeit eröffnet, nahezu unbegrenzt Energie zu erzeugen, aber auch den Weg zu einer Waffe von unvorstellbarer Kraft gewiesen. War eine solche Waffe überhaupt machbar? Und was wussten die Nazis davon?

Um diese Fragen ging es in dem ersten britischen Atomprojekt ab 1942. Klaus Fuchs arbeitete an entscheidender Stelle mit. Und als die Amerikaner sich zur gleichen Zeit daran machten, selbst eine solche Bombe zu entwickeln, wurde Klaus Fuchs im Rahmen der anglo-amerikanischen Zusammenarbeit mit einer britischen Delegation in die USA geschickt, wo er bis 1946 am sogenannten Manhattan-Projekt beteiligt war.

Doch die Amerikaner hielten die letzten Geheimnisse des Atombombenbaus auch vor ihren engsten Verbündeten verborgen. Als 1945 die ersten Bomben explodierten, wussten die Briten zwar, dass eine solche Bombe möglich war, kannten aber nicht alle Details. Zum Bau einer eigenen Bombe gründeten sie nach Kriegsende bei Harwell ein neues Forschungszentrum, in dem auch Klaus Fuchs tätig war.

Allerdings wusste offenbar keine der beteiligten Regierungsstellen davon, dass Klaus Fuchs Sozialist war. Das ist natürlich nichts Schlimmes, doch Klaus Fuchs hatte bald nach dem Beginn von Hitlers Russlandfeldzug den Eindruck gewonnen, die westlichen Alliierten ließen die Sowjets »ausbluten«. Er war zu der Überzeugung gekommen, die Sowjetunion habe das moralische Recht, über die geheimen Aktivitäten Bescheid zu wissen. Er ließ sich vom sowjetischen Militärnachrichtendienst als Spion anwerben und übergab ab 1943 Informationen an die Sowjets.

Nach seiner Verhaftung am 3. Februar 1950 gestand er alles. Die Amerikaner schäumten, sie beantragten die Auslieferung, doch die Briten behielten ihn bei sich. In dem kurzem Prozess betrachtete man den Verrat der amerikanischen und der britischen Geheimnisse als zwei getrennte Taten und verurteilte Fuchs noch im Februar zu zweimal sieben Jahren Zuchthaus, die Höchststrafe. In den USA hätte man ihn wohl hingerichtet.

Was wird aus Harwell?, das war die einzige Sorge von Klaus Fuchs bei seiner Verhaftung gewesen. Nun, es ging dort auch ohne ihn, nur langsamer: 1952 zündeten auch die Briten ihre erste Atombombe.

Und was wurde aus Klaus Fuchs? Wegen guter Führung wurde er 1959 vorzeitig entlassen und in die DDR abgeschoben. Dort war er lange Jahre im Zentralinstitut für Kernphysik in Rossendorf bei Dresden tätig und lehrte als Professor an der TU Dresden. Sein Hauptinteresse waren die Kernforschung und die friedliche Nutzung der Kernenergie. Er wirkte in mehreren politischen Ämtern, u. a. im ZK der SED, im Forschungsrat und anderen Gremien. Zu seinen zahlreichen Preisen gehört auch der Ehrentitel »Hervorragender Wissenschaftler des Volkes«. Anfang 1988 ist er gestorben.

Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2010

Das Bild ist als Foto des US-Department of Energy gemeinfrei.
Quelle: Wikimedia Commons