11. Juni 1951: J. Neckermann eröffnet Kauf- und Versandhaus

Besser dran mit Neckermann

Neckermann Kaufhaus, Ostbahnhof

Die 1951 eingeweihte ehemalige Neckermann-Versandzentrale am Danziger Platz im Frankfurter Ostend. Das Gebäude wird heute von der Deutschen Telekom genutzt.

Von klein auf stand für Josef Neckermann fest, dass er Kaufmann werden würde. Doch sein Ziel war es nicht, die väterliche Kohlenhandlung zu führen. Er ließ sein Erbe auszahlen und übernahm 1935 ein Kaufhaus in seiner Heimatstadt Würzburg, das der jüdische Inhaber im Gefolge der Nürnberger Rassengesetze verkaufen musste. Zwei Jahre später verschmolz er es mit einem ebenfalls arisierten Berliner Textilunternehmen. Die so entstandene »Wäsche- und Kleiderfabrik Josef Neckermann« war damals einer der größten deutschen Textilversender.

Neckermann nahm auch öffentliche Aufträge an (so lieferte er u. a. Wehrmachtsuniformen für die Ostfront) und wurde als Leiter der »Reichsstelle Kleidung« sogar mit einem Kriegsverdienstkreuz ausgezeichnet.

Wegen dieser Zusammenarbeit mit den Nazis darf er nach dem Krieg sein Unternehmen nicht weiterführen. Als er dies über Strohmänner dennoch versucht, wird er 1946 zu einem Jahr Zwangsarbeit verurteilt. Bei der Entnazifizierung gilt er aber als Mitläufer und kommt mit geringem Bußgeld davon. Nach der Währungsreform gründet er unter dem Namen seiner Frau ein neues Unternehmen, das 1950 dann in die »Neckermann Versand KG« übergeht. Die Stadt Frankfurt stellt ein Grundstück in der Nähe des Ostbahnhofs zur Verfügung, und dort lässt Josef Neckermann das Versandzentrum seines Unternehmens mitsamt einem angegliedertem Kaufhaus errichten. Am 11. Juni 1951 wird der Komplex eingeweiht – und er wird ein grandioser Erfolg: Schon am ersten Tag müssen die Verkaufsräume geschlossen werden, weil sich mehrere tausend Kunden um die Wühltische und Regale rangeln. Das Versandzentrum ist vollgepfropft mit neuester Technik, etwa eine hochmoderne Lochkartenanlage und Endlosförderbänder, um die bis zu 30.000 Bestellungen täglich schnellstmöglich abzuarbeiten.

Mit seinem Katalogprogramm, insbesondere der Damenkonfektion, trifft Neckermann den Nerv der Zeit. Seine Kollektionen sind einfach, aber durchaus chic, er fertigt massenweise in eigenen Fabriken und kann, bei geringer Gewinnspanne, auch massenweise verkaufen. Die niedrigen Preise sind legendär.

1953 wagt Neckermann den Schritt vom Textilversand zum Vollsortimenter. Zunächst gibt es Kleinmöbel, ab Weihnachten auch Elektrogeräte wie Küchenmixer, Haartrockner und Bügeleisen. Knüller im Programm ist das Radio »Neckermann-Super«. Durch massenweisen Einkauf kann Neckermann es für sensationelle 187 Mark anbieten, fast 100 Mark billiger als üblich.

Aus den Reaktionen seiner Konkurrenz schmiedet der begnadete Kaufmann Josef Neckermann weitere Geschäftschancen: Als die Elektrohändler drohen, keine Neckermann-Geräte zu reparieren, baut er eine eigene Kundendienstorganisation auf. Als er einen preiswerten Kühlschrank anbieten und kein deutscher Hersteller mit ihm zusammenarbeiten will, lässt er englische Teile in Luxemburg montieren und verkauft unter eigenem Namen.

Selbst der Werbespruch »Neckermann macht’s möglich« ist eigentlich eine trotzige Reaktion auf die Konkurrenz: In einem Interview erinnert sich Josef Neckermann: »Wir hatten einen Werbespruch ›Besser dran mit Neckermann‹, sind dann von unserer Konkurrenz abgemahnt worden, und mussten daher zu unserem zehnjährigen Bestehen einen neuen Werbeslogan haben. Es war ein ganz junger Mann, der hat beim Rausgehen gesagt: ›macht’s möglich‹. Ich habe den Spruch gehört und habe mich sofort drauf gestürzt, aber dass er so ankommen würde, dass er heute noch einen Bekanntheitsgrad von 90 % hat …«

Nein, das hätte wohl niemand gedacht. Aber niemand hätte auch gedacht, dass ein Großunternehmen wie Neckermann untergehen könnte. Doch Mitte der 1970er Jahre ist es so weit. Die Rechnung vom Massenabsatz bei geringer Gewinnspanne geht nicht mehr auf. Der Konkurrent Karstadt steigt ein. Nach zahlreichen Umstrukturierungen wurde Neckermann wieder aus dem KarstadtQuelle-Konzern Arcandor ausgegliedert und Ende 2007 an einen amerikanischen Investor verkauft. Einige Umstrukturierungen später musste das Unternehmen im Jahr 2012 Insolvenz anmelden. Heute lebt der Name »Neckermann« nur noch als Marke im Internet-Versandhandel des Konkurrenten Otto und im Reisegeschäft weiter.

Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2008, aktualisiert November 2009 und Juli 2016

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Quelle: Wikimedia Commons