12. Mai 1941: Konrad Zuse vollendet den ersten Computer

»Silicon Valley« in der hessischen Provinz

Man kann es sich heute kaum vorstellen, doch noch vor hundert Jahren bezeichnete der Begriff »Computer«, also »Rechner«, einen Menschen – einen Menschen, der komplizierte und langwierige Rechnungen durchführte, beispielsweise in der Astronomie oder in der Technik.

Natürlich hat es nicht an Versuchen gefehlt, diese zugleich höchst anspruchsvolle, aber doch öde und extrem fehleranfällige Tätigkeit zu automatisieren, und die ersten Rechenmaschinen gab es schon im Barock. Aber alle diese Maschinen konnten nur bestimmte Rechenschritte, sie waren nicht programmierbar. Der Durchbruch gelang erst in den Dreißiger- und Vierzigerjahren:

Zeichnung der Z3 von Konrad Zuse. Es gibt kein Originalfoto der Anlage, da sie und mit ihr sämtliche Unterlagen 1943 bei einem Bombenangriff vernichtet wurden.

»Nun, es war in erster Linie so, dass ich eine Lücke sah, d. h. ich hatte als Ingenieur sehr viele technische Rechnungen durchzuführen. Die waren an sich gut durchdacht, umfangreiche Zahlenrechnungen, sehr kompliziert, sehr verflochten, und was es auf dem Markt schon an Rechengeräten gab, das konnte mir wenig helfen. Die reinen Tischrechenmaschinen, die brauchten wir kaum, wir rechneten mit dem Rechenschieber, die Lochkartenmaschinen konnten uns auch wenig helfen, das war also so, dass selbst die kleinste Lösung von Gleichungssystemen, also diejenigen Sachen, die der Ingenieur ja durchführen muss, dass man da alles praktisch von Hand rechnen musste, d. h. es gab also keine Maschinen, die solche Operationen automatisch machten. Das störte mich, da muss eigentlich was zu machen sein, und in Verfolg dieser Idee habe ich dann einige Dinge getan, die bis dahin ungewöhnlich waren, das ist das Wesentliche, dass man eben andere Wege geht als die Rechenmaschinenindustrie bisher.«

So erzählte Konrad Zuse, eigentlich ein Bauingenieur, in einem Interview zu seinem 80. Geburtstag. Er ging diesen anderen Weg und begann 1934 im heimischen Wohnzimmer mit der Entwicklung von programmgesteuerten Rechenmaschinen. Nach mehrjährigen Bemühungen baute er tatsächlich die ersten, noch rein mechanisch arbeitenden Geräte.

Nachbau der Z3 von 1961, der heute im Deutschen Museum zu sehen ist. Der Nachbau enthält – anders als die Originalanlage, die aus zwei Speicherschränken bestand – nur einen Speicherschrank mit 32 Zahlen a 22 Bit.

Doch der große Wurf gelang ihm erst am 12. Mai 1941 mit seiner dritten Maschine, die er »Z3« nannte: Dieses »rechenplangesteuerte Rechenmaschine« gilt heute als der erste funktionsfähige, frei programmierbare Computer überhaupt. Der Bau war Zuse in völliger Isolation – mitten im Krieg – und in Unkenntnis der Arbeiten von anderen Computerpionieren etwa in den USA gelungen. Zuses besondere Leistung liegt darin, dass er nicht nur eine Maschine gebaut, sondern eine funktionsfähige Rechnerarchitektur entworfen hatte, platt gesprochen die Funktionsvorlage für einen Computer, die unabhängig war von der verwendeten Technik.

Die Technik der etwa wohnzimmerschrank-großen Z3 mutet aus heutiger Sicht in der Tat recht altertümlich an: Speicher und Rechenwerk wurden nämlich mit insgesamt 2600 Telefonrelais aufgebaut, gesteuert wurde die Anlage durch einen handgestanzten Lochstreifen. Im Betrieb hört man nur ein leises Rauschen und Klacken wie von einer Pendeluhr. Damit konnte die Z3 eine Addition in 0,8 Sekunden und eine Multiplikation in nur 3 Sekunden erledigen.

Ein hoffnungsvoller Anfang also, doch schon bald war es vorbei. Im Dezember 1943 wurde die Zuse’sche Wohnung ausgebombt, die Z3 und mit ihr sämtliche Unterlagen wurden zerstört. Erst 1961 gelang es, den Rechner anhand weniger Aufzeichnungen zu rekonstruieren. Der Nachbau steht im Deutschen Museum in München, ein weiterer im Zuse-Museum in Hünfeld in der Hessischen Rhön.

Warum Hünfeld? Nun, dorthin hatte es Konrad Zuse nach dem Krieg verschlagen, und dort gründete er 1949 ein eigenes Unternehmen – lange vor IBM oder Apple die erste Firma weltweit, die kommerzielle Computer produziert. Natürlich waren das damals absolute Spezialgeräte, die Stückzahlen also sehr gering. Doch die Zuse KG war sehr erfolgreich: In den 20 Jahre, bis sie vollständig von der Siemens AG übernommen wurde, hat sie 251 Rechner im Wert von 102 Millionen DM hergestellt.

Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2010

Die Zeichnung wurde freundlicherweise von Prof. Horst Zuse (Berlin) zur Verfügung gestellt, der auf seiner Website auch viele weiterführende Informationen zu seinem Vater Konrad Zuse zusammengestellt hat.
Foto: Wikipedia-Nutzer Venusianer, Quelle: Wikimedia Commons