8. November 1925: Rhönrad patentiert

Siegeszug des Deutschen Rads

Gymnastische Uebungen am Rhönrad! Mitglieder der Hochschule für Leibesübungen bei gymnastischen Uebungen am Rhönrad, welche den Körper gelenkig und geschmeidig erhalten.

Mitglieder der Berliner Hochschule für Leibesübungen bei gymnastischen Übungen am Rhönrad.

Wäre Otto Feick in den Harz gezogen, könnten wir heute vielleicht vom „Harzer-Roller-Turnen“ sprechen. Aber es war in der Rhön, wo er sein »Gerät für Belustigungszwecke« entwickelte, für das er am 8. November 1925 das Patent erhielt. Seiner Wahlheimat zu Ehren heißt es »Rhönrad«.

Die Idee ist eigentlich ziemlich einfach: Man verbindet zwei Reifen mit Querstreben – und fertig ist das Laufrad für Menschen. Schon als Kind im pfälzischen Rodenbach hatte Feick eine solche Gerätschaft aus Latten und Fassreifen gebaut und war damit den Abhang heruntergerollt. Es muss ein beeindruckendes Erlebnis gewesen sein, denn der junge Erwachsene erinnerte sich noch fast zwanzig Jahre später gut daran. Zeit zum Erinnern hatte er genug, denn der Eisenbahner und Gewerkschafter Otto Feick war während der französischen Besatzung der linksrheinischen Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg inhaftiert worden: Man warf ihm Spionage vor. In seiner Haftzeit will Feick auf den richtigen Dreh für sein Turngerät gekommen sein.

Als er 1923 aus der Haft entlassen wird, will er sein Rad produzieren und vermarkten. Aber die französische Besatzungsmacht durchkreuzt seine Pläne: Bevor er noch die Produktion aufnehmen kann, wird er aus der Pfalz ausgewiesen. Er zieht in die Heimat seiner Frau nach Schönau an der Brend im bayerischen Teil der Rhön. Dort richtet er sich eine Metallwerkstatt ein und stellt seine Turngeräte her, die er als Dank an seine neue Heimat »Rhönrad« nennt.

Anfang 1926 führt Feick das Rhönrad in der Deutschen Hochschule für Leibesübungen im Sportforum Berlin vor, weitere Vorführungen in England, Frankreich und den USA folgen. Jetzt zeigt sich, dass die Patentgebühr für das Rhönrad gut angelegtes Geld gewesen ist, denn die Räder verkaufen sich gut: Fast 20.000 Exemplare verlassen seine Werkstatt in Schönau in alle Herren Länder.

Bereits 1930 findet das erste internationale Rhönradturnier in Bad Kissingen statt. Zu den Disziplinen gehören unter anderem das Wett-, das Hindernis- und das Staffelrollen, das »Bergab-Mutfahren« und die Darstellung von Pyramiden. In den Dreißigerjahren werden die Rhönräder auch in Sportschulen und bei der sportlichen Ausbildung der Polizei eingesetzt. Höhepunkt der sportlichen Entwicklung ist der Auftritt von 120 Rhönradturnern und -turnerinnen bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin.

Aber genau diese Entwicklung machte es dem Rhönrad nach dem Ende des Dritten Reichs schwer, denn allzu verbreitet war die Assoziation von Rhönrad und Nationalsozialismus. Als »Deutsches Rad« war das Rhönrad daher in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verpönt. Erst dreizehn Jahre nach Kriegsende waren wieder Rhönradturner beim Deutschen Turnfest beteiligt. Otto Feick hat die darauf folgende Renaissance seines Turngeräts nicht mehr erlebt, er starb 1959.

Heute ist das Rhönradturnen in Deutschland zwar verbreitet, aber ein Massensport ist es nicht: Rund 300 Vereine gibt es Deutschland, in denen etwa 20.000 Turner und Turnerinnen organisiert sind. Erst seit den 1980er Jahren setzte sich das Rhönradturnen auch international wieder durch. 1990 dann fand der erste Europacup in Taunusstein, zwei Jahre später die erste Europameisterschaft in Liestal in der Schweiz statt. Nach der Gründung des Internationalen Rhönrad-Verbandes 1995 in Basel wurde noch im selben Jahr die erste Weltmeisterschaft im niederländischen Den Helder ausgetragen. Seitdem finden sie alle zwei Jahre statt. Disziplinen sind das Geradeturnen (das Rad rollt auf beiden Reifen), das Spiralturnen (das Rad rollt auf nur einem Reifen und taumelt wie eine Münze) sowie Sprungübungen. Die vorderen Plätze werden stets, wie kaum anders zu erwarten, von deutschen Turnern und Turnerinnen belegt.

Nur zur olympischen Disziplin hat es das Rhönradturnen bislang nicht geschafft – zu hoch sind die bürokratischen Hürden des Olympischen Komitees, zu groß noch immer die internationalen Vorbehalte. Mit steigender Unterstützung anderer schlagkräftiger Verbände könnte es aber machbar sein.

Carsten Heinisch
geschrieben für »Rück-Blicke« (Deutsche Welle) 2001, aktualisiert Dezember 2009

Bild: Deutsches Bundesarchiv, veröffentlicht unter der Lizenz Creative Commons Share Alike 3.0.
Quelle: Wikimedia Commons