7. Mai 1925: Eröffnung des Deutschen Museums in München
Das letzte Fest der Weimarer Republik
Mitten im Zentrum von München teilt sich die Isar in zwei Arme. Dazwischen liegt eine rund 800 Meter lange, nicht sehr breite Insel, die seit dem Mittelalter als Lagerplatz für Floßholz und Kohlen genutzt und darum Kohleninsel genannt wurde. Sie wurde von den Isar-Hochwassern immer wieder überschwemmt, darum gab es stets nur provisorische Nutzungen. Erst nach einem verheerenden Hochwasser 1899 wurden die Insel und die Brücken hochwassersicher gemacht. So war mitten in der Stadt ein attraktives Bauland entstanden – was sollte man damit tun?
Hier trat der renommierte Münchner Ingenieur Oskar von Miller auf den Plan. Von Miller gilt als der Pionier der Elektrizitätsversorgung. Er hatte zusammen mit Emil Rathenau die Deutsche Edison-Gesellschaft gegründet, die spätere AEG, er hatte das erste Elektrizitätswerk Deutschlands und die erste Überland-Stromleitung gebaut. Als Oskar von Miller im Frühjahr 1903 dazu aufrief, ein nationales technisches Museum zu errichten, da fand seine Idee im ganzen Reich – selbst bei Kaiser Wilhelm II. – wohlwollende Aufnahme. Schon kurz nach der Gründung eines Museumsvereins mit Persönlichkeiten aus Industrie und Technik stellte die Stadt die Insel kostenlos zur Verfügung, um den Prestigebau für München zu sichern. Aus der alten Kohleninsel wurde so die Münchner Museumsinsel.
Im Frühjahr 1906 war es so weit: Das »Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik« wurde gegründet, die Planungen für einen Museumsneubau ausgeschrieben. Zur Grundsteinlegung noch im selben Jahr erschien sogar der Kaiser. Bis zur Fertigstellung des Neubaus sollten die Säle im Alten Nationalmuseum genutzt werden, dem späteren Museum für Völkerkunde (heute: Museum Fünf Kontinente).
Vom Gründungsaufruf für das Museum bis zur Eröffnung der ersten Ausstellung in den provisorischen Räumen waren gerade drei Jahre vergangen, ein enormer Kraftakt. Leider ging es nun nicht mehr so schnell voran. Immer wieder gab es Verzögerungen beim Museumsneubau, zunächst wegen der Rücksichtnahme auf politische Befindlichkeiten in den verschiedenen Bundesstaaten des Deutschen Reichs, später durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Doch Oskar von Miller konnte die Schwierigkeiten immer wieder überwinden, auch in der Zeit des Krieges und der nicht minder schweren Zeit danach. In den Protokollen heißt es ausnehmend oft »provisorisch«, wenn es um die Ausgestaltung einzelner Abschnitte geht; viele Detailarbeiten wurden einfach auf die Zeit nach der Einweihung vertagt. Doch durch von Millers Einsatz gingen die Arbeiten voran, selbst als kein Geld zur Bezahlung der Arbeiter mehr vorhanden war – von Miller überredete Hunderte von Arbeitern zu kostenlosen Schichten am Wochenende.
Am 7. Mai 1925 und nicht ganz zufällig auch seinem 70. Geburtstag konnte Oskar von Miller den Neubau des Deutschen Museums eröffnen. Alles, was damals Rang und Namen hatte, war nach München gekommen.
Die Feierlichkeiten erstreckten sich über mehrere Tage. Zum Auftakt zog ein Festzug mit 60 Motivwagen zu Technik und Gewerbe durch die Innenstadt. Am Straßenrand standen Menschen in Mengen – von Miller hatte durchgesetzt, dass die Ämter und Schulen geschlossen hatten. Für die offizielle Festveranstaltung hatte Gerhart Hauptmann einen Festaktus geschrieben – eine ziemlich ungenießbare allegorische Dichtung mit Musik. Und zum Abschluss gab es als deutsche Erstaufführung ein Festspiel mit Tänzen und Chören von Beethoven in der Bearbeitung von Richard Strauß.
Es ist durchaus ein Körnchen Wahrheit daran, wenn von diesen Feierlichkeiten unter Anspielung auf die kommende Weltwirtschaftskrise, die nationalsozialistische Machtübernahme und den Zweiten Weltkrieg in der Literatur oft die Rede ist vom »letzten Fest der Weimarer Republik«.
Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2009
Die Abbildung auf der Ansichtskarte ist gemeinfrei, Quelle: Wikimedia Commons.
Das Foto des Motivwagens wurde freundlicherweise vom Deutschen Museum zur Verfügung gestellt.
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