5. Januar 1933: Bau der Golden Gate Bridge
Wahrzeichen in rot-orange: Die Golden Gate Bridge
San Francisco ist wunderbar gelegen, aber verkehrstechnisch heikel, denn die Stadt liegt an der Spitze einer schmalen Landzunge, die die östlich gelegene San Francisco Bay vom Pazifik im Westen trennt. Und nördlich der Stadt erstreckt sich ein gut eineinhalb Kilometer breiter Wasserstreifen, das sogenannte Golden Gate. Damit war San Francisco nur von Süden auf dem Landweg zu erreichen, aus allen anderen Richtungen brauchte man Fähren.
Heute sind San Francisco und die Städte an den anderen Ufern der Bucht durch insgesamt fünf kilometerlange Autobrücken miteinander verbunden. Die berühmteste und älteste dieser Brücken ist die Golden Gate Bridge, deren Bau am 5. Januar 1933 begann. Sie gilt als das Hauptwerk des amerikanischen Ingenieurs Joseph Strauss und ist heute zum Wahrzeichen der ganzen Region geworden.
Die Brücke hat eine lange Vorgeschichte, denn spätestens mit dem kalifornischen Goldrausch 1848, der San Francisco zur größten Stadt der Westküste machte, wurde klar, dass Fährverkehr allein nicht ausreichen würde, die Entwicklung der Stadt zu sichern. Die Fähren sind unzuverlässig, oft liegt das Golden Gate im Nebel, es gibt gefährliche Strömungen und Strudel.
Doch wie baut man eine fast zwei Kilometer lange und windstabile Brücke? 1916 machte sich ein städtischer Bauingenieur an die Projektierung einer Brücke und kam auf horrende Kosten von 100 Millionen Dollar. In einem Zeitungsartikel rief er seine Kollegen auf, nach einem billigeren Weg zu suchen.
Angesprochen fühlte sich auch der Ingenieur Joseph Strauss, der in seiner nie verwirklichten Abschlussarbeit die Vision einer 89 km langen Eisenbahnbrücke über die Bering-Straße entworfen hatte. Damals hatte er zwar schon über 400 Brücken gebaut, aber noch nichts in dieser Größe. In seinem ersten Entwurf sah Strauss eine konventionelle Brücke vor, die auf einem zentralen Pfosten in der Mitte des Golden Gate ruhen sollte. Nach seinen Schätzungen sollte sie 17 Millionen Dollar kosten.
Die städtischen Behörden stimmten den Plänen prinzipiell zu, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine Hängebrücke gebaut würde. Die Planungen sahen nun zwei über 200 m hohe Pylone in Ufernähe vor. Die Fahrbahn überspannt fast 1300 m, insgesamt ist die Brücke fast zwei Kilometer lang. Als die Brücke nach vierjähriger Bauzeit im Mai 1937 in Betrieb ging, war sie bis in die 1960er Jahre hinein die längste Hängebrücke der Welt.
Strauss brauchte etliche Jahre, um die Finanzierung zu sichern und die Widerstände zu brechen: Die Eisenbahngesellschaft, die auch die Fähren betrieb, war dagegen; das Militär lehnte die Pläne ab, sie könnten den Schiffsverkehr beeinträchtigen; die Marine befürchtete, ein Unfall oder Sabotage könnte die Hafenzufahrt behindern. Die Gewerkschaften forderten, bei einem Bau einheimische Bauarbeiter zu bevorzugen. Erst 1928 nahm eine städtische Gesellschaft zum Bau und zum Unterhalt der Brücke ihre Arbeit auf, doch durch die Weltwirtschaftskrise verzögerte sich der Baubeginn noch einige Jahre.
Am 5. Januar 1933 endlich konnte der Bau unter der Oberaufsicht von Strauss beginnen. Die Ausführung verlief im Wesentlichen problemlos. Und Strauss hat durch seine straffe Aufsicht etwas erreicht, was bei öffentlichen Bauten heutzutage sehr selten geworden ist: Die projektierten Kosten wurden sogar unterschritten. Der schöpferische Anteil von Strauss am Bau der Brücke war jedoch nicht so groß, wie er es später darstellte: Die grundlegende Form, die typischen Verzierungen in Art Deco, die statischen Berechnungen, ja selbst die charakteristische Farbe rot-orange – das alles basiert auf den Arbeiten von anderen Ingenieuren.
Ein bleibender Verdienst von Strauß aber war seine Unfallvorsorge durch ein Sicherheitsnetz unter der Brücke; 19 Arbeiter, die andernfalls zu Tode gestürzt wären, konnten dadurch gerettet werden. Solche Netze sind daher heute bei allen größeren Brückenbauten üblich. Was Strauß allerdings nicht ahnen oder gar verhindern konnte: Seit ihrer Eröffnung 1937 ist die Golden Gate Bridge einer der populärsten Ort der Welt unter potenziellen Selbstmördern. Etwa alle zwei Wochen wählt ein Mensch diese Brücke für seinen letzten Sprung.
Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2010
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Quelle: Wikimedia Commons