3. Juni 1492: Martin Behaim stellt seinen »Erdapfel« vor
Die halbe Welt auf einem »Apfel«
1492 hat Columbus Amerika entdeckt. Da scheint es nur folgerichtig, wenn im selben Jahr auch der erste Globus entsteht: 3. Juni 1492 soll der Kaufmann Martin Behaim dem Nürnberger Rat seinen »Erdapfel« vorgestellt haben.
Aber die Geschichte des Globus ist viel verwickelter, als die zufällige Übereinstimmung zweier Jahreszahlen nahe legt. Columbus landete nämlich erst im Oktober 1492 in Westindien, und bis die Nachricht davon nach Europa kam, war der Globus des Herrn Behaim schon fast ein Jahr alt.
Die Erde als Kugel? Galt es nicht über Jahrhunderte als gesichert, dass die Erde eine Scheibe ist? Nein – schon die alten Griechen wussten es besser, und auch die Kirche duldete schon ab dem 11. Jahrhundert die Darstellung der Erde in der Form eines »Apfels«, also rund. Papst Sixtus IV. hatte bereits 1475 die Anfertigung eines solchen »Erdapfels» in Auftrag gegeben. Der Globus des Martin Behaim ist somit keine Sensation, aber er ist das älteste erhaltene Exemplar.
Wer war dieser Martin Behaim? Die Quellenlage ist spärlich. Er wurde 1459 in Nürnberg als ältester Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren, kam mit 17 Jahren zu einem Antwerpener Tuchhändler in die Lehre und ging mit Mitte Zwanzig als Kaufmann nach Portugal. Er gewinnt dort Zugang zu Seefahrerkreisen, indem er sich als Schüler des bekannten Mathematikers Regiomontanus ausgibt. Das war zwar nachweislich falsch; aber Behaim führt ein von Regiomontanus verbessertes Navigationsinstrument ein, mit dem man nach der Sonnenhöhe navigieren kann. Ob er damit wirklich die Grundlage für den Erfolg der portugiesischen Seefahrt gelegt hat, wie es später hieß, bleibt im Dunkeln. Immerhin, er wird zum Ritter geschlagen, er heiratet eine Adlige, er reist mit Gewürzhändlern an die afrikanische Westküste, soll späteren Überlieferungen nach sogar die Kongomündung entdeckt haben.
Um 1490 kehrt Behaim wieder nach Nürnberg zurück und streitet sich mit den Geschwistern wegen des elterlichen Erbes. Drei Jahre dauern die Prozesse. In dieser Zeit hat sich Behaim aber nicht nur um das Erbe gekümmert; es gelingt ihm, zwei Ratsherren zur Übernahme der erheblichen Herstellungskosten für einen Globus zu gewinnen. Dieses Prunkstück, etwa einen halben Meter im Durchmesser und aufwendig aus Pappe, Leder und bemaltem Papier gefertigt, soll den Patriziern den möglichen wirtschaftlichen Erfolg einer Seefahrt auf dem Westweg nach Indien sichtbar machen. Die Inschriften auf dem Globus bei Ceylon, am Äquator oder bei Indien wie »dort wächst viel mancherley Specerei«, »do wachst muscat«, »man findt daselbst Wäldt von lauter Sandelholz« usw. belegen, dass es mit dem Globus vor allem darum ging, Kapital für solche Gewürzreisen zu sammeln.
Natürlich bildet der Globus die Erde nicht wirklich ab, wie sollte er auch – Amerika war ja zum Zeitpunkt seiner Herstellung noch gar nicht bekannt. Doch selbst dem Kenntnisstand von damals wird der Globus nicht gerecht: Die Form von Indien ist nicht erkennbar, China und Südostasien sind (mit allen Fehlern) aus uralten Karten von Marco Polo übernommen. Immerhin ist zum ersten Mal auf einer europäischen Karte sogar Japan zu sehen. Aber Afrika ist zu breit, die Kongomündung zu weit südlich angesiedelt. Und selbst in Europa sind etliche Städte, Flüsse und Küstenlinien falsch eingezeichnet, nur der Mittelmeerraum ist einigermaßen exakt.
Doch trotz seiner Fehler bleibt der Globus über 120 Jahre im Nürnberger Rathaus stehen, dann wird er an die Familie Behaim zurückgegeben und auf einem Speicher vergessen. Erst 200 Jahre später wird er wiederentdeckt, seit 1906 ist er im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg ausgestellt.
Und Martin Behaim? Es scheint, als hätten ihm Globus und sein Erbe kein Glück gebracht: Er war als reicher Mann nach Portugal zurückgekehrt; aber seine Ehe scheitert, er fällt beim König in Ungnade und stirbt 1507 in einem Lissaboner Armenhaus.
Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2006
Bild gemeinfrei, Quelle: Wikimedia Commons