7. März 1934: Hitler kündigt einen »Volkswagen« an
Liebling mit Vergangenheit
Ein Auto – das war schon in der Weimarer Republik ein Traum für Viele. Aber es blieb beim Traum: Der normale Arbeiter konnte sich ein Auto schlicht nicht leisten. Wenn man zu dieser Zeit überhaupt motorisiert war, fuhr man Motorrad. Wer die Massen auf vier Rädern motorisieren wollte, musste also ein erschwingliches Auto anbieten. Dafür gibt es zwei Wege: rationelle Fertigung in großen Stückzahlen oder eine möglichst einfache Konstruktion.
Den ersten Weg hatte Henry Ford in den USA mit seinem Einheitsauto Model T vorgemacht: Von ihm waren über 15 Millionen Stück gebaut und zu ständig sinkenden Preisen verkauft worden. In Deutschland dagegen versuchte man die Kosten dadurch zu senken, dass alles weggelassen wurde, was nur irgendwie entbehrlich war. Typische Materialien waren Sperrholz und Pappe, die Wagen waren winzig und äußerst sparsam motorisiert. Ein Beispiel dafür war der Hanomag Kommissbrot von 1924, der seinerzeit schon ganz selbstverständlich »Volkswagen« genannt wurde.
Die Bezeichnung »Volkswagen« war also durchaus nichts Neues, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Nachdem sie als Oppositionspartei noch gegen die »Plutokraten« und ihre Luxusautos gewettert hatten, wollten sie nun die Autoindustrie fördern; ein Autoboom sollte die Wirtschaft ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen. Schon unmittelbar nach der Machtübernahme gab es die ersten Maßnahmen, um die Massenmotorisierung zu fördern: steuerliche Erleichterungen, die Abschaffung der Geschwindigkeitsbegrenzungen und natürlich den Bau neuer Straßen und Autobahnen. (Die allererste deutsche Autobahn wurde übrigens aus Propagandagründen flugs zur Landstraße herabgestuft.) Ein Jahr nach der Machtübernahme schließlich, am 7. März 1934, kündigte Adolf Hitler bei der Eröffnung der Berliner Automobilausstellung einen »Deutschen Volkswagen« an. Damit machte er ein Exposé öffentlich, mit dem sich einige Monate zuvor der Konstrukteur Ferdinand Porsche um einen Regierungsauftrag zum »Bau eines Volkswagens als Studienobjekt« bemüht hatte. Nach Porsches Konzeption sollte ein solches Gebrauchsauto Platz für vier Personen und ihr Gepäck bieten und ausreichend motorisiert sein, um eine normale Höchstgeschwindigkeit und Bergsteigefähigkeit zu gewährleisten.
Bei diesen Anforderungen konnte der Wagen also zwar einfach, aber nicht primitiv konstruiert sein. Er musste daher recht teuer werden, Porsche rechnete mit Gestehungskosten von gut 1500 Reichsmark. Und demnach konnte man ihn nur dann billig verkaufen, wenn er nach Ford’schem Muster massenhaft produziert wurde. Hitler aber gab einen völlig unrealistischen Verkaufspreis vor: Seiner Vorstellung zufolge sollte der neue Volkswagen nur 990 Reichsmark kosten. Diese Summe sollte durch Sparverträge angespart werden, 5 Mark pro Woche. Ein solch geringer politischer Preis wiederum passte der Automobilindustrie nicht, die doch durch das Projekt gefördert werden sollte. Sie verweigerte sich einer Zusammenarbeit. Zur Lösung des Problems wurde der Reichsverband der Automobilindustrie umgangen: Die Deutsche Arbeitsfront gründete 1937 die Gezuvor, die »Gesellschaft zur Vorbereitung des deutschen Volkswagens«. Sie übernahm die weitere Konstruktion des Autos, dessen Prototypen dann als »KdF-Wagen« vorgestellt wurden, KdF nach der nationalsozialistischen Freizeitorganisation »Kraft durch Freude«. Schließlich wurde 1938 an verkehrsgünstiger Stelle am Mittellandkanal auch der Grundstein für ein Werk sowie eine nationalsozialistische Musterstadt gelegt.
Das Werk und die heute Wolfsburg heißende Stadt existieren noch. Der zivile KdF-Wagen aber wurde dort während des Dritten Reichs nie gebaut; als militärischen »Kübelwagen« fand man ihn auf allen Schlachtfeldern zwischen Afrika und dem Nordkap. Erst nach Kriegsende wurden in den zerbombten Anlagen die ersten »Volkswagen« zusammengeschraubt, die Massenproduktion begann erst nach der Währungsreform 1948. Aber dann wurde der Volkswagen, jetzt liebevoll »Käfer« genannt, zum Lieblingsauto der Deutschen, zum Millionenseller und schließlich das meistgebaute Autos der Welt.
Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2006, aktualisiert Dezember 2009
Bild gemeinfrei, Quelle: Wikimedia Commons