16. September 1861: Bei Krupp geht der größte Schmiedehammer der Welt in Betrieb
Immer feste druff!
1811 gründete der Essener Kaufmann Friedrich Krupp »eine Fabrik zur Verfertigung des englischen Gussstahls und aller daraus resultierender Fabrikate«. Anfangs war seine Fabrik nur eine kleine Klitsche mit gerade sieben Mitarbeitern, aber sie wuchs rasch heran zum größten Werk der deutschen, ja der Stahlindustrie weltweit, und der Name Krupp wurde fast zu einem Synonym für Eisen und Stahl überhaupt.
Natürlich hatte der Aufstieg seine Gründe. Der auf der Hand liegende Grund ist, dass mit der Industrialisierung, mit der Etablierung von Eisenbahn und Dampfmaschinen der Bedarf an Erzeugnissen aus Eisen und Stahl rapide wuchs. Aber natürlich hat auch die Qualität der Produkte überzeugt: Krupp stellte eine einzigartige Sorte von Tiegelstahl her, der fest und doch gut formbar war. Allerdings war die Herstellung schwierig, denn diese gewünschten Eigenschaften gewann der Stahl erst in einem intensiven Ausschmieden des Stahlblocks »unter dem Hammer«.
Unweigerlich taucht ein Bild vor dem inneren Auge auf, das Bild von muskulösen Männern, die mit Vorschlaghämmern auf einen Stahlblock über dem Amboss einschlagen. Aber dieses Bild trügt. Mit den Dimensionen der benötigten Teile – etwa geschmiedete Achsen für Lokomotiven, Wellen für Maschinen, dicke Bleche für den Schiffbau und dergleichen mehr – mussten auch die Dimensionen der für ihre Bearbeitung benötigten Werkzeuge wachsen: Muskelkraft allein reichte nicht mehr aus, man brauchte schweres Gerät, das von Dampfmaschinen betrieben war.
Die Firma Krupp, mittlerweile von Alfred Krupp geleitet, dem Sohn des Gründers, stellte sich diesem Drang zur Größe. Hatte Krupp bis in die 1850er Jahre hinein Schmiedeaufträge für Großteile an fremde Hammerwerke vergeben, so wurde Ende 1851 erstmals ein eigener Dampfhammer in Betrieb genommen. Auf diese Weise ließ sich das, was man mit heutigen Begriffen »Wertschöpfungskette« nennt, komplett in eigener Regie abwickeln. Diese ersten sogenannten Stielhämmer waren relativ klein: An einem soliden Stiel war ein Hammergewicht von 100 Zentnern, also 5 Tonnen Masse befestigt. Unter dem Stiel war ein Dampfzylinder aufgestellt, der den Hammer nach oben bewegte; nach unten fiel er dann durch sein Eigengewicht.
Diese Hämmer mit ihrer einfachen, aber schwerfälligen Konstruktion waren rund zwanzig Jahre lang im Einsatz. Aber schon gegen Ende der 1850er Jahre stieg das Bedürfnis nach noch größeren, noch schwereren Hämmern, um noch größere, noch schwerere Stahlblöcke schmieden zu können. Alfred Krupp, dem schon seine Zeitgenossen zwar Kühnheit, aber auch einen Hang zur Maßlosigkeit nachsagten, konstruierte einen neuen Typ von Dampfhammer von einer noch nie da gewesenen Größe. Mehrere Meter hoch war das Gerüst aus soliden Eisenträgern. Daran war mit dicken Ketten das Fallgewicht befestigt, der sogenannte Bär: Er hatte zunächst eine Masse von 30 Tonnen, später wurde die Bärmasse auf 50 Tonnen erhöht. Dieses Monstrum von einem Dampfhammer erhielt den geradezu harmlosen Namen »Fritz«. Am 16. September 1861 wurde er als der damals größte Schmiedehammer der Welt in Betrieb genommen.
»Fritz« wurde zu einer Legende und zu einem Symbol für die Innovationsfähigkeit und Leistungskraft der Firma Krupp. Vor allem überraschte die Präzision, mit der sich der äußerlich so plumpe Hammer beherrschen ließ. Häufig kolportiert wurde das Geschehnis, als der Kaiser bei einem Besuch der Krupp-Werke im Jahr 1877 seine kostbare Uhr auf den Amboss legte und dann der Bär niederfiel … Natürlich wurde die Uhr nicht beschädigt, denn der Hammer kam millimetergenau vor dem Uhrglas zum Stehen.
Doch auch die Zeit der Dampfhämmer ging vorüber. Zwar stellte man »Fritz« noch einen kleineren Hammer namens »Max« zur Seite, zwar wurde ein noch größerer Hammer geplant – er sollte »Herkules« heißen und eine Bärmasse von 150 Tonnen haben –, aber diese Pläne wurden nie realisiert, denn schon in den 1870er Jahren hatte man in hydraulischen Schmiedepressen geeignetere und leistungsfähigere Werkzeuge zum Schmieden großer Stahlblöcke erkannt. Als »Fritz« 1911 abgebrochen wurde, war er technisch schon ein Relikt einer vergangenen Zeit.
Carsten Heinisch
geschrieben für »Rück-Blicke« (Deutsche Welle) 2001
Bildquelle: Pressefoto von Thyssen-Krupp