4. September 1837: Samuel Morse führt seinen Telegrafen vor
»What hath God wrought«
Als der junge Amerikaner Samuel Morse 1810 die Hochschule in Yale verließ, hatte er ein seltsames Bildungsprogramm hinter sich: Er war in den Fächern Religionsphilosophie, Mathematik und Pferdekunde eingeschrieben. Nebenbei hatte er aber auch Vorlesungen zur Elektrizität besucht, damals noch ein ganz neues und buchstäblich elektrisierendes Thema. Berühmt wurde Morse aber als Kunstmaler. Anfangs malte er Historienbilder und heroische Landschaften, später vor allem Porträts. Und er war so gut, dass er 1825 den Auftrag erhielt, zum 50. Jubiläum der Unabhängigkeit den berühmten Marschall Lafayette zu porträtieren. Leider starb während des Aufenthalts in New York seine Frau. Als ein reitender Bote die Todesnachricht überbrachte, brach Morse den Auftrag sofort ab, kam aber trotzdem erst nach der Beisetzung zuhause an. Seitdem soll sich Morse immer wieder mit dem Thema beschäftigt haben, Nachrichten schnell über große Distanzen zu übermitteln.
Ernst wurde es aber erst einige Jahre später. Morse war auf einer Studienreise durch Europa und traf in Paris auch führende Persönlichkeiten der Forschung zur Elektrizität. Auf der Schiffsreise zurück in die USA diskutierte er mit einem Mitreisenden, der sich ebenfalls mit Elektrizität und Magnetismus beschäftigte: Ob die Geschwindigkeit der Elektrizität wohl von der Drahtlänge abhänge, wollte Morse wissen, und erhielt die Antwort, man habe bislang bei beliebig langen Drähten keinerlei Verzögerung gemessen. »Wenn die Elektrizität in einem Stromkreis sofort sichtbar wird,« so überlegte Morse schlau, »dann müssten sich doch auch Nachrichten blitzschnell durch Elektrizität übermitteln lassen.«
Noch auf der Schiffsreise entwarf Morse die Konzeption für einen Telegrafenapparat, der mit nur einer elektrischen Hin- und Rückleitung auskam. Ein System von langen und kurzen Signalen zur Verschlüsselung von Buchstaben entwarf er gleich mit: »Und wenn man es nur zehn Meilen ohne Stopp übertragen kann, dann kann ich es auch um die ganze Welt schicken.«
Es dauerte dann aber noch drei Jahre, bis ein erster Prototyp fertig war. Er verrät noch den Kunstmaler: Hauptbestandteil war nämlich eine Staffelei. Doch der Apparat funktionierte nur über ganz kurze Entfernungen. Erst als Morse die Entwicklung eines Relais zur Verstärkung der Batteriespannung gelang, konnte er seine Signale auch über einige hundert Meter senden. Am 4. September 1837 endlich führt er seinen Telegraphen im Freundeskreis vor. Gleichzeitig reicht er ein Patent ein.
Die Anstrengungen, sein Patent dann auch zu verwirklichen und gegen andere durchzusetzen, haben Morse finanziell fast ruiniert. Erst 1844 hatte er die Genehmigung und die Mittel zusammen, eine experimentelle Leitung zwischen Washington und Boston zu errichten. Die erste Nachricht war ein Bibelvers: What hath God wrought, »Sieh doch, was Gott getan hat!«
Von da an gibt es Auszeichnungen en masse, gilt Samuel Morse als einer der Väter der Telegrafie. Doch was wir heute mit Morse verbinden, hat nur wenig mit ihm zu tun: Das »Morsen« spielt in der Nachrichtenübermittlung praktisch keine Rolle mehr, das Morsealphabet hat nach völligen Überarbeitungen heute nur noch entfernte Ähnlichkeit mit Morses Entwurf, und das berühmteste Morsesignal, das SOS, wurde erst lange nach Morses Tod eingeführt: ». . . – – – . . .«.
Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2010
Portraitfoto: Unbekannter Fotograf, Quelle: Wikimedia Commons.
Schemazeichnung: Wikimedia Commons.
Quelle für das Morsesignal: Orangefreesounds