13. März 1781: Friedrich Wilhelm Herschel entdeckt den Uranus

Der Musiker als Astronom

Wilhelm Herschel

William Herschel um 1785 (Porträt von Lemuel Francis Abbott, National Portrait Gallery, London)

Wer heute im Lexikon auf den Namen Friedrich Wilhelm Herschel stößt, findet die Beschreibung eines begabten Astronomen, der mit unermüdlicher Himmeldurchmusterung in der Nacht des 13. März 1781 einen bis dahin unbekannten Planeten fand – den Uranus. Aber diese Entdeckung hat natürlich eine Vorgeschichte, die das Lexikon verschweigt.

Es war Herschel nämlich nicht in die Wiege gelegt, Astronom zu werden, ganz gewiss nicht. Als Sohn eines Militärmusikers lernte er vielmehr Instrumente zu spielen und wurde 1753 als 14-Jähriger in das Musikkorps des Hannoverschen Garderegiments zu Fuß aufgenommen.

Militärmusiker war zur damaligen Zeit ein durchaus ehrenwerter Beruf. Er sicherte ein ausreichendes Einkommen und ließ genug Freizeit, sich weiterzubilden. Und das tat der junge Friedrich Wilhelm. »Ich opferte alle meine freien Stunden dem Studium der Sprachen,« schrieb Herschel an einen Freund. Vor allem lernte er natürlich Englisch; schließlich wurde das Königreich Hannover von London aus regiert. Aber »sein eigentliches Studium«, wie es im selben Brief heißt, das war die Musiktheorie in Verbindung mit der Mathematik.

Sein Leben als Militärmusiker endete nach vier Jahren. Während der Schlacht von Halstenbeck im Sommer 1757, inmitten der Wirren des Siebenjährigen Krieges, verließ Herschel das Regiment, laut aus John Lockes Abhandlung über den menschlichen Verstand rezitierend, und ging nach London.

Dort wird William Herschel – so nennt er sich jetzt – aber nicht gerade mit offenen Armen empfangen, der Musikermarkt ist durch den Krieg auf dem Kontinent regelrecht überschwemmt. Anfangs verdingt er sich als Notenkopist. Nach dem ersten Winter nimmt er einen Ruf in die Provinz an – wieder eine Militärkapelle. In seiner freien Zeit spielt er bei Privatkonzerten und unterrichtet in den Gutshäusern der Umgebung. Und er wird von einer »Seuche» erfasst, der Seuche des Komponierens, wie er es nannte. Innerhalb von drei Jahren schreibt er 18 kleine Sinfonien und etliches an Kammermusik. Einige seiner Sinfonien sind auch auf CD eingespielt worden.

Friedrich Wilhelm und Caroline Lucrezia Herschel bei der Entdeckung des Uranus.

Romantisierende Darstellung der Nacht vom 13. März 1781: Friedrich Wilhelm blickt durch sein 6-Zoll-Fernrohr, seine Schwester Caroline Lucrezia macht Notizen.

Immerhin, er macht sich einen Namen, auch als Dirigent. Er arbeitet wie ein Besessener und verdient mit seinen musikalischen Tätigkeiten gar nicht schlecht. 1761 hat er seinen Durchbruch. Nach einem Konzert in Edinburgh – er hatte sich dort als Musikdirektor beworben – lernt Herschel den Philosophen David Hume kennen. In Gesprächen über religiöse Themen erwacht Herschels Interesse an dem Bau der Welt. Er liest viel zur Naturphilosophie, zur Astronomie, vervollkommnet seine mathematischen Kenntnisse. Sein Geld verdient aber weiterhin als Musiker.

Wir machen einen Sprung von zwölf Jahren in das Jahr 1773. Herschel ist mittlerweile etabliert als Organist und Konzertdirektor in Bath. Nach dem Tod der Eltern hat er seine jüngeren Geschwister zu sich nach England geholt, die Schwester Caroline Lucrezia singt in seinen Konzerten und führt ihm den Haushalt.

Ob es nun der Ärger mit einem örtlichen Konkurrenten war oder der Drang, das angelesene Wissen in Astronomie und Mathematik auch praktisch anzuwenden: Im Frühjahr 1773 kauft er sich astronomische Instrumente und Tabellen und mietet sich ein Teleskop. Und setzt sich damit abends, nach Organistenamt, nach Unterricht und Konzerttätigkeit in den Garten und beobachtet die Sterne. Im Herbst desselben Jahres beschließt er, ein eigenes Teleskop zu bauen. Er kauft Werkzeuge zum Guss der Metallspiegel, die er dann eigenhändig in tagelanger Arbeit poliert. Seine Teleskope sind bald so gut, dass er sie verkaufen kann.

Die nächsten Jahre ist er zweigleisig tätig: Tags und abends ein volles Programm als Musiker, die Nacht gehört der Astronomie. In seinem Tagebuch schreibt er: »Ich beschloss, jeden Stern am Himmel mit der größten Aufmerksamkeit … zu untersuchen, [solche Beobachtungen müssen] unvermeidlich zu neuen Entdeckungen führen.«

Herschels systematische Durchmusterung des Himmels – mit tatkräftiger Hilfe seiner Schwester Caroline Lucrezia – zahlt sich aus: Das von ihm am 13. März 1781 entdeckte Gestirn hatten auch schon Andere vor ihm gesehen; aber keiner hatte so sorgfältig gearbeitet, dass er es auch als neuen Planeten hätte identifizieren konnte.

Die Wissenschaftler der Royal Society waren begeistert: Ein neuer, ein siebter Planet – das warf das ganze Weltbild über den Haufen, das seit der Antike von nur sechs Planeten ausging. Im Herbst des Jahres zeichnete die Royal Society ihn für seine Entdeckung mit ihrer höchsten Ehrung aus. Carolines Anteil an der Entdeckung wurde kaum gewürdigt, erst später – da war sie, unabhängig von ihrem Bruder, längst eine berühmte »Kometenjägerin« geworden und hatte Sternenkataloge verfasst – wurde auch ihr die verdiente fachliche Anerkennung zuteil.

Carsten Heinisch
geschrieben für »SWR2 Zeitwort« 2003, überarbeitet 2017