2. Mai 2000: Das US-Militär schaltet das GPS-Fehlersignal ab
Standortbestimmung für alle
Die Idee für ein satellitenbasiertes Positionsbestimmungssystem ist schon rund 80 Jahre alt und wurde 1943 vom Berliner Patentamt als „Standortsanzeiger, insbesondere für Luftfahrzeuge“ sogar patentiert. Aber es blieb bei der Idee, die Technik war noch nicht so weit.
Wirklich konkret wurde es erst ab Ende der 1950er Jahre: Da entwickelte die US-Marine ihr Navy Navigation Satellite System (NNSS) und nutzte es später zur Zielführung ballistischer Raketen auf U-Booten und Flugzeugträgern.
Dieses System war jedoch nur lokal und auf See nutzbar. Die anderen amerikanischen Streitkräfte verlangten ein ähnliches Globales Positionsbestimmungssystem, kurz GPS. 1973 begannen die Konzeption und Entwicklung. Schon fünf Jahre später wurde der erste von einem Dutzend GPS-Satelliten in eine Erdumlaufbahn geschossen.
Ein Unglücksfall öffnete die Nutzung dieses eigentlich rein militärischen Systems auch für Zivilisten: 1983 gelangte ein südkoreanisches Linienflugzeug durch einen Navigationsfehler in den sowjetischen Luftraum, Abfangjäger schossen das Flugzeug ab. Damit sich solche Navigationsfehler nicht mehr wiederholten, gab der amerikanische Präsident Ronald Reagan das noch nicht ganz fertiggestellte GPS-System auch für die zivile Nutzung frei, allerdings mit beschränkter Genauigkeit.
Die Militärs nutzten verschlüsselte Signale, die damals eine Positionsbestimmung auf rund 15 m genau ermöglichten. In der Militärlogik war diese Genauigkeit aber für Zivilisten und potenzielle militärische Gegner zu hoch. Zusätzlich mit den unverschlüsselten Signalen für die zivile Nutzung wurde daher ein Störsignal ausgestrahlt, das die Genauigkeit auf etwa 100 m herabsetzte.
Trotzdem – schon dieses frühe GPS war ein Meilenstein. Die satellitengestützte Positionsbestimmung setzte sich schnell durch. Und rasch wurde der Ruf laut, die Genauigkeit der zivilen GPS-Variante zu erhöhen. Am 2. Mai 2000 gab das US-Militär dem Ruf statt. Das Störsignal wurde abgeschaltet. Damit stieg die Genauigkeit der Ortsbestimmung auch im zivilen Bereich auf unter 10 m, mit Tricks erreicht man sogar eine Genauigkeit im Bereich weniger Zentimeter. Das amerikanische Militär behält sich allerdings vor, bei militärischen Zwischenfällen die Genauigkeit wieder herabzusetzen. Auch dies war ein Grund dafür, dass die Europäische Union, Russland und China mittlerweile je eigene Systeme zur Satellitennavigation betreiben.
Seit der Abschaltung des Störsignals im Mai 2000 hat der Einsatz von GPS-Geräten, auch durch die immer preiswertere Technik, erheblich zugenommen. Die klassische Landvermessung mit Maßband und Goniometer gibt es fast gar nicht mehr, die Koordinaten aller Punkte werden über GPS bestimmt und direkt in die digitalen Karten eingepflegt. GPS-Empfänger sind in allen Verkehrsarten verbreitet, von der Luft- und Seefahrt bis zu den allgegenwärtigen Navigationssystemen für Autos. Selbst Wanderer verlassen sich immer weniger auf Kompass und Karte, sondern auf die Satellitennavigation. Sogar in der Landwirtschaft setzt man GPS ein, um die Bestellung von großen Flächen zu optimieren: So kann man beispielsweise Dünger genau dort und nur dort ausbringen, wo zuvor die Pflanzen gesetzt wurden, und muss nicht die gesamte Fläche eines Feldes düngen.
Doch es bleibt nicht bei reinen GPS-Empfängern – immer öfter sind die Empfänger auch mit einer Sendeeinheit versehen, die die aktuelle Position z. B. über Mobilfunk weitergeben kann. Der Nutzen liegt auf der Hand – man kann so etwa wertvolle Fahrzeuge und Güter orten oder Rettungseinsätze besser koordinieren. Doch der Schritt zur Dauerüberwachung ist klein. Rein technisch möglich ist eben auch die permanente Ortung eines Smartphones, wie es praktisch jeder unter 30 ständig mit sich trägt.
Schöne neue Welt!
Carsten Heinisch
geschrieben für »Zeitwort« (SWR2) 2018
Bild gemeinfrei (Autor: El Pak), Quelle: Wikimedia Commons