3. November 1957: Die Sowjets starten ihren zweiten Satelliten
Laika und der Sputnik-Schock
Im Jahr 1957 war die Welt zerrissen zwischen den beiden Supermächten; der Wettlauf der Systeme war zwar noch unentschieden, aber dass die USA der UdSSR in technischer und vor allem militärischer Hinsicht überlegen war – daran bestand in der westlichen Welt nicht der geringste Zweifel. Umso größer der Schock, als ausgerechnet die rückständigen Russen Anfang Oktober den ersten Satelliten überhaupt in die Umlaufbahn beförderten, den »Sputnik« (zu Deutsch »Begleiter«).
Einen Monat später folgte der zweite Streich gegen die westliche Selbstgefälligkeit: Am 3. November 1957 startete der Satellit Sputnik 2. Der kegelförmige Satellit hatte eine Höhe von 1,2 Meter, und in seinem Inneren befand sich eine Druckkabine für den Fluggast: die Hündin Laika, das erste Lebewesen im All. Eine Rückkehr zur Erde war jedoch nicht vorgesehen – was in der westlichen Welt prompt die Tierschützer auf den Plan rief.
Um den propagandistischen Erfolg ihrer Mission nicht zu schmälern, gab die Sowjetunion daher nur sehr dosierte und zum Teil falsche Informationen über den Flug von Sputnik 2 heraus. Unstrittig ist, dass die Hündin den Start überlebt hat – das war angesichts der dabei auftretenden Beschleunigung durchaus nicht selbstverständlich. Es war auch nicht klar, ob ein Lebewesen die Schwerelosigkeit überhaupt überleben würde. Die Behauptung jedoch, Laika habe die Erde noch eine Woche lang lebend umkreist, ist definitiv falsch. Wie mittlerweile bekannt wurde, starb Laika schon fünf bis sieben Stunden nach Erreichen der Erdumlaufbahn infolge von Stress und einer Überhitzung der Kapsel. Erst 1998, lange nach Beendigung des kalten Krieges, gab ein führender Mitarbeiter des Projekts eine öffentliche Entschuldigung ab: »Je mehr Zeit vergeht, desto mehr tut es mir leid. Wir haben von der Mission nicht genug gelernt, um den Tod des Hundes zu rechtfertigen.«
Von der moralischen Frage abgesehen, war die Sowjetunion mit dem Start von Sputnik 2 endgültig zum Spitzenreiter im Weltraum geworden, besonders als der Start des ersten amerikanischen Satelliten im Dezember 1957 fehlschlug. Erst im Januar 1958 glückte es den USA, mit dem »Explorer« ihren ersten Satelliten ins All zu schießen, der aber viel kleiner war als die sowjetischen. Und als die USA Ende 1961 ebenfalls ein Lebewesen ins All schickten, einen Schimpansen, lag der Flug des Kosmonauten Juri Gagarin, dem ersten Menschen im All, schon ein halbes Jahr zurück.
Interessanter aber als die Platzierungen dieses »Wettlaufs ins All« sind die bis heute zu spürenden Nachwirkungen des »Sputnik-Schocks«. Aus Furcht, die Sowjets könnten die USA mit Atomsprengköpfen auf Raketen angreifen, forcierten die Amerikaner die Entwicklung eigener Interkontinentalraketen und entwickelten eine Strategie der kontrollierten atomaren Eskalation, die in den 1980er Jahren in den hundertfachen nuklearen Overkill mündete. Im Sommer 1958 wurde die nationale Raumfahrtbehörde NASA gegründet, um die amerikanischen Weltraumaktivitäten zu koordinieren (vgl. dazu den Beitrag über den letzten »Surveyor«-Satelliten). Und eine beispiellose Kampagne für naturwissenschaftliche Bildung erleichterte ganzen Heerscharen junger Leute den Zugang zu den Hochschulen und begründete so die noch heute andauernde wissenschaftliche Vormachtstellung der USA. Auch in der jungen Bundesrepublik waren die Auswirkungen der sowjetischen Raumfahrterfolge zu spüren: Die Einführung des BAföG geht letztlich auch auf den Sputnik-Schock zurück.
Und Laika? Die Mischlingshündin, die einst streunend in Moskau aufgegriffen worden war, ist postum zum berühmtesten Hund der Welt geworden. Sie ist auf dem Moskauer Mahnmal zum Gedenken an die tödlich verunglückten Kosmonauten zu sehen, sie kommt in zahllosen Literatur- und Musikstücken vor, wurde auf Briefmarken und im Film verewigt. Und seit 2005 gibt es sogar auf dem Mars ein Fleckchen, das nach Laika benannt wurde.
Carsten Heinisch
geschrieben für »Die Rheinpfalz« (Chronik-Seite, 2007)
Bild (NASA) gemeinfrei, Quelle: Wikimedia Commons