20 Jahre Rechtschreibreform – und es ist doch nicht alles schlecht!

Am 1. Juli 1996 verpflichteten sich die deutschen Bundesländer sowie die deutschsprachigen Staaten Österreich, die Schweiz und Liechtenstein in einer Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung, bis zum 1. August 1998 eine reformierte Orthographie einzuführen. Ach, was war diese Rechtschreibreform umstritten! Mit emotionaler Verve lagen sich alle in den Haaren – Praktiker und Professoren, Schreiber und Leser, Kulturpolitiker und Volk.

Mittlerweile haben sich die Gemüter abgekühlt, es wird ja immer nichts so heiß gegessen, wie’s gekocht wird. (Und den jungen Leuten – ich darf das sagen, ich bin schon über 50 – scheint die Rechtschreibung eh’ egal zu sein, man braucht sich nur mal eine durchschnittliche Forenseite anzuschauen.) Der Delfin, die Majonäse, das Portmonee und das Schifahren haben sich eher nicht durchgesetzt, emotionslos schreibt man von Geografie und rauem Wetter. Eine echte Erfolgsstory war das „dass“ – so erfolgreich, dass mancher meint, das Eszett sei ganz abgeschafft; und so heißt es immer öfter auch Fusspflege, Strasse oder Weisswurst (die Schweizer haben das schon immer getan, für die gilt das nicht).

Welche Tücken die alte Rechtschreibung hatte, ist mir letztens bei der Durchsicht einiger Unterlagen aufgefallen, die ich zur Zeit der Rechtschreibreform für ein Seminar zum Thema „Wissenschaftliches Schreiben“ vorbereitet hatte. Es geht dabei um die Groß- und Kleinschreibung von Adjektiven – mit Vergleich von „alt“ und „neu“:

Kompliziert ist auch die Handhabung der Adjektive. Der Duden unterscheidet feinsinnig beispielsweise zwischen „Westfälischem Frieden“ („Westfälisch“ hier als Teil eines mehrteiligen Namens) und „westfälischem Schinken“ (d. h. Schinken, der aus Westfalen stammt, aber durchaus nach Schwarzwälder Art geräuchert sein kann). „Schwarzwälder“ wiederum schreibt man immer groß, weil Adjektive, die sich von einer geografischen Bezeichnung ableiten und auf -er enden, stets großgeschrieben werden – im Unterschied zu Adjektiven, die auf -isch enden und stets kleingeschrieben werden, es sei denn, es handelt sich um den Bestandteil eines Namens (s. o.).

Eine weitere Unterscheidung betrifft die Adjektive, die sich von Personen ableiten: Sie werden großgeschrieben, wenn sie die persönliche Leistung oder Zugehörigkeit ausdrücken (z. B. Platonische Körper = Körper, die Plato als Erster systematisiert hat), man schreibt sie aber klein, wenn sie ausdrücken, dass etwas nach einer Person benannt ist oder ihrer Art bzw. ihrem Geist entspricht (z. B. platonische Liebe = nach Plato benannt).

In den Naturwissenschaften wird meist der erste Fall vorliegen (Maxwellsche Gleichung, Greensche Funktion, Newtonsche Axiome usw. ), aber die Schreibung ist schwankend (Begriffe wie abelsche Gruppe, gaußförmiger Strahl, hermitescher Operator usw. werden klein geschrieben). Die neue Rechtschreibung räumt hier auf und setzt fast durchgängig auf die Kleinschreibung (newtonsche Axiome, maxwellsche Gleichungen usw.). Natürlich sah das anfangs etwas ungewohnt aus – auch ich hatte damit meine Schwierigkeiten –, aber man kann sich daran gewöhnen. Und wer auf den Großbuchstaben nicht verzichten will, kann auf die Duden-konforme Schreibung „Maxwell’sche Gleichung“ zurückgreifen, wo der Name durch einen Apostroph von der besitzanzeigenden Endsilbe abgetrennt wird.

Gottseidank sind solche komplizierten Überlegungen heute obsolet!