27. August 1859: Erste Erdölbohrung in den USA
Ölfieber in Pennsylvania
Heute ist Erdöl einer der bedeutendsten Rohstoffe für die Wirtschaft. Doch das ist eine relativ neue Erscheinung: Zwar war das »Steinöl« seit Jahrhunderten bekannt, weil es an manchen Orten aus dem Boden tröpfelte, so im Kaukasus oder in den USA. Doch erst vor 150 Jahren brachte man im amerikanischen Titusville die erste planmäßige Bohrung nach Öl nieder. Das war der Beginn der Ölindustrie, wie wir sie heute kennen.
Bis dahin war der Einsatz von Erdöl recht beschränkt. Zum Verbrennen als Lampenöl roch es zu stark, gerade mal zum Wagenschmieren war es gut genug. Um 1850 aber trafen zufällig zwei Entwicklungen zusammen: Der für Lampen verwendete Wal-Tran wurde sehr teuer, weil die Wale fast ausgerottet waren, und man fand ein Verfahren zur Destillation von Rohöl. Nun konnte man Erdöl zu Petroleum (für Beleuchtungszwecke) verarbeiten, außerdem entstanden Benzin (mit ungewisser Verwendung), Paraffin (für Kerzen), Schmierstoffe (für Maschinen), Benzol (als Lösungsmittel) und Teer (für den Straßenbau). Studien zeigten gute Verdienstmöglichkeiten für Investoren, wenn man nur genug Rohöl fördern konnte.
Im November 1854 gründete sich eine erste Ölgesellschaft, die auch gleich ein Gelände bei Titusville in Pennsylvania kaufte, wo Erdöl in kleinen Mengen aus dem Boden quoll. Doch das Unternehmen litt unter Kapitalmangel. Wohl deshalb wurde 1858 ein gewisser Edwin Drake als Generalagent eingestellt, denn als ehemaliger Bahnbediensteter konnte er bei seinen Geschäftsreisen umsonst mit dem Zug fahren. Um einen besseren Eindruck zu machen, wurde er stets als »Colonel Drake« vorgestellt.
Drake hatte den Auftrag, die Ölförderung zu steigern: Die Quelle brachte nur 10 bis 15 Liter pro Tag. Drake ließ mehrere Gruben anlegen, in denen sich das Öl sammeln sollte – die Förderung verdoppelte sich so auf fast 35 Liter. Doch das reichte nicht, um die Quelle wirtschaftlich zu machen. Drake versuchte daher, einen Schacht anzulegen und so an die Öl führende Schicht heranzukommen. Doch der Schacht füllte sich mit Grundwasser, bevor die Schicht erreicht war.
Schließlich entschloss sich Drake, ein Loch in die Tiefe zu bohren – ein Verfahren, wie es auch beim Abbau von Salz angewandt wurde. Doch bei einer Tiefe von fünf Metern rutschten die Wände des Bohrlochs immer wieder nach. Drakes bahnbrechende Idee war es, mittels eines Rohres weiterzubohren. Dieses Eisenrohr bestand aus ca. 3,50 Meter langen Stücken, die nach und nach in den Boden getrieben wurden. Doch in zehn Metern Tiefe stieß man auf felsigen Untergrund, die Bohrung kam nun kaum noch voran. Seine Firma zog sich zurück, Drake ging das Geld aus. Mit privaten Mitteln und Geld seiner Freunde trieb Drake die Bohrung weiter.
Am 27. August 1859 hatte Drakes Bohrung eine Gesamttiefe von 21 Meter erreicht. An diesem Punkt traf die Spitze auf einen Spalt und sackte ab. Die Männer packten für diesen Tag zusammen. Bei Arbeitsbeginn am nächsten Morgen stand Erdöl im Bohrloch, das man mit einer Handpumpe an die Oberfläche bringen konnte. Anfangs brachte die Quelle etwa 4000 Liter am Tag, später allerdings kaum noch die Hälfte.
Die Nachricht von dem Ölfund verbreitete sich in Windeseile. Praktisch über Nacht brach in dem verschlafenen Titusville ein »Ölfieber« mit entsprechend chaotischen Zuständen aus, vergleichbar mit dem Goldrausch in Kalifornien zehn Jahre zuvor. Schon Ende 1860 gab es hier fast 2000 Bohrlöcher. Eine Pipeline wurde gebaut, eine Eisenbahnlinie, mehrere Raffinerien – Titusville wurde so zum ersten Zentrum der Ölindustrie. Viele Menschen – vor allem Grundbesitzer – wurden sehr reich. In Titusville gab es damals mehr Millionäre pro tausend Einwohner als sonst wo auf der Welt. Nur Colonel Drake profitierte kaum. Er hatte es versäumt, sein Bohrverfahren patentieren zu lassen, verlor 1863 sein Geld bei Spekulationsgeschäften und starb 1880 völlig verarmt.
Der Boom in Titusville dauerte nicht lang. Durch die rücksichtslose Ausbeutung des Ölfelds war das Vorkommen schon in den 1890er Jahren erschöpft. Doch ständig fand man neue Ölfelder – beispielsweise in Kalifornien, in Texas, bei Baku (Aserbaidschan), in Venezuela. Der Nahe Osten und der Persische Golf wurden erst in den 1960er Jahren zum Ölgebiet. Heute sind über 40.000 Ölfelder bekannt, doch drei Viertel der Vorräte liegen in nur 300 Ölfeldern. Der Gipfel der Ölförderung dürfte erreicht oder schon überschritten sein. Wie lange die Reserven noch reichen, ist unklar; dass sie endlich sind, ist aber unstrittig.
Carsten Heinisch
geschrieben für »Die Rheinpfalz« (Chronik-Seite) 2009
Abbildungen gemeinfrei, Quelle: Wikimedia Commons (Zeichnung) bzw. Wikimedia Commons (Foto)