Lichtenberg über gute Bücher
»Ein sicheres Zeichen von einem guten Buch ist, wenn es einem immer besser gefällt je älter man wird. Ein junger Mensch von 18, der sagen wollte, sagen dürfte und vornehmlich sagen könnte was er empfindet, würde von Tacitus etwa folgendes Urteil fällen: Tacitus ist ein schwerer Schriftsteller, der gute Charaktere zeichnet und vortrefflich zuweilen malt, allein er affektiert Dunkelheit und kommt oft mit Anmerkungen in die Erzählung der Begebenheiten hinein, die nicht viel erläutern, man muß viel Latein wissen um ihn zu verstehen. Im 25ten vielleicht, vorausgesetzt, daß er mehr getan hat als gelesen, wird er sagen: Tacitus ist der dunkle Schriftsteller nicht für den ich ihn ehmals gehalten, finde aber, daß Latein nicht das einzige ist was man wissen muß um ihn zu verstehen, man muß sehr viel selbst mitbringen. Und im 40ten, wenn er die Welt hat kennen lernen, wird er vielleicht sagen, Tacitus ist einer der ersten Schriftsteller, die je gelebt haben.« [aus E197, Herbst 1775]